Ayurveda zählt zu den am schnellsten wachsenden Segmenten der Komplementärmedizin in Europa.
Die traditionelle indische Heilkunst basiert auf einem eigenen wissenschaftlichen Weltbild, das Körper, Geist und Seele als eine Einheit sieht. Krankheit wird hingegen als Folge des Ungleichgewichts körperlicher und mentaler Kräfte betrachtet.
Wenngleich Ayurveda in den meisten europäischen Staaten noch nicht als medizinisches System anerkannt wird, hat das komplexe Diagnose- und Therapiesystem einige Erfolge vorzuweisen. Das gilt Studien zufolge auch für die Behandlung von Kniegelenksarthrose.
Was bedeutet Ayurveda?
Der aus dem Sanskrit stammende Begriff Ayurveda bedeutet wörtlich übersetzt Lebensweisheit oder Lebenswissenschaft (Ayus = Leben, Veda = Wissen).
Als Kombination aus Philosophie und Erfahrungswerten konzentriert sich die Heilkunde auf die für die menschliche Gesundheit und Krankheit relevanten physischen, mentalen, spirituellen und emotionalen Aspekte. Hieraus resultiert der ganzheitliche Anspruch der ayurvedischen Lehre.
Was ist das Besondere an Ayurveda?
Ayurveda ist eine komplexe, in ihren Grundsätzen aber dennoch leicht verständliche Heilkunde, die auf einer ganzheitlichen universellen Philosophie basiert. Das Ziel der ayurvedischen Lehre besteht darin, den Körper zu entgiften und seine Selbstheilungskräfte zu aktivieren.
In Asien, vor allem in Indien, wird die Heilmethode wissenschaftlich gelehrt und von den Menschen akzeptiert. Im westlichen Kulturkreis kommt sie bislang zumeist für Wellness-Zwecke zur Anwendung, was sich in Asien erst durch den zunehmenden Tourismus verbreitete.
Die ältesten Hinweise auf eine Medizin in Indien stammen aus der vedischen Zeit ab etwa der Mitte des zweiten Jahrtausends vor Christus. Überliefert sind sie vor allem im Atharvaveda, einer heiligen Textsammlung des Hinduismus, die eine Mischung magischer Hymnen, Zauberformeln und anderen Materials unterschiedlichsten Alters enthält.
Hieraus entwickelte sich ab circa 500 vor Christus das davon deutlich unterscheidbare medizinische System des Ayurveda.
Zentrale Elemente einer Ayurveda-Behandlung sind:
- Ayurveda-Massagen- und Reinigungstechniken,
- spirituelle Yogapraxis,
- Ernährungslehre und
- Pflanzenheilkunde.
Das vielschichtige Diagnose- und Therapiesystem des Ayurveda ist grundsätzlich auf die individuellen Bedürfnisse und Befindlichkeiten des jeweiligen Patienten ausgerichtet. Dabei stellt die Behandlung von Arthrosebeschwerden einen speziellen Bereich der ayurvedischen Medizin dar.
In die ganzheitliche Therapie werden auch die Ernährung und der Lebensstil einbezogen. Zwar ist die Datenlage wissenschaftlicher Untersuchungen zum Erfolg ayurvedischer Behandlungsansätze im Allgemeinen noch verhältnismäßig gering.
Im Zusammenhang mit der Arthrosetherapie gibt es jedoch schon einige interessante Studien.
Die ayurvedische Krankheitslehre
Im Ayurveda besteht alles im Universum aus neun Substanzen (Dravyas):
- Den fünf Elementen Wasser, Feuer, Erde, Luft und Äther,
- dem Geist „Manas“,
- der Seele „Atman“,
- dem Raum „Dik“ und
- der Zeit „Kala“.
Die ayurvedische Heilkunde lehrt, dass jedes Lebewesen die fünf Elemente in sich vereint. Aus diesen gehen drei physiologische Temperamente (Doshas) hervor. Vata (Luft und Äther) ist für jede Art von Bewegung verantwortlich, Pitta (Feuer) für den Stoffwechsel, Kapha (Erde und Wasser) für die Struktur des Körpers.
Die drei Temperamente wirken auf jede einzelne Zelle und jedes Organsystem des Körpers ein und erhalten das Leben aufrecht. Darüber hinaus bestimmen sie den Körperbau und die Persönlichkeit mit ihren Eigenarten, Empfindlichkeiten und Emotionen, Schwächen und Stärken, Vorlieben und Abneigungen.
Geraten die Doshas aus der Balance, sammeln sie sich an ihren Hauptorten und bilden Ama. Das bedeutet „unreif“ oder „unverdaut“ und bezieht sich auf die auf unverdauten Nahrungsbestandteilen zurückzuführenden Stoffwechselschlacken.
Ein Ungleichgewicht von Pitta führt zur Ansammlung von Säure in Dickdarm und Leber und bewirkt Pitta-Erkrankungen. Bei einem Kapha-Überschuss hat Ama die Form von Schleim, der sich in Lunge und Magen bildet und sich von dort aus im Körper verteilt.
Bei zu viel Vata entwickelt sich gasförmiges Ama im Dickdarm, einschließlich typischer Vata-Störungen. Zugleich zerstört Vata durch seine austrocknenden und abbauenden Eigenschaften die Gelenke, weshalb das Ziel der Ayurveda-Therapie bei Arthrosebeschwerden in einer Vata-Reduktion besteht.
Degenerative Gelenkerkrankungen aus Sicht des Ayurveda
Der Fachbegriff Arthrose steht für einen das altersübliche Maß übersteigenden Gelenkverschleiß, der sich durch Gelenkschmerzen und Bewegungseinschränkungen bemerkbar macht. Zu den häufigsten Ursachen dieser Erkrankung zählen übermäßige Belastung, Gelenkentzündungen (Arthritis), genetisch bedingte Auslöser und Verletzungen.
Vor allem betroffen sind die Knie- und Hüftgelenke, die Wirbelsäule sowie die Hand- und Fußgelenke. Aus schulmedizinischer Sicht ist Knorpelverschleiß nicht heilbar. Mit Medikamenten werden lediglich die Symptome bekämpft, nicht aber die Ursache.
Dadurch schreitet die Erkrankung immer weiter voran, bis letztendlich nur eine Knorpeltransplantation oder der Austausch des erkrankten gegen ein künstliches Gelenk übrigbleiben. Die ayurvedische Heilkunde sieht im Gegensatz dazu durchaus Heilungschancen, da sie sowohl Gelenkverschleiß als auch rheumatische Arthritis als Folge eines Ungleichgewichts im Körper betrachtet, das sich durch verschiedene Maßnahmen regulieren lässt.
Arthrose ist im Ayurveda keine altersbedingte Krankheit, sondern ein Hinweis darauf, dass der Mensch über einen langen Zeitraum wider seine Natur gelebt hat. Wer ständig und immer wieder das Falsche zur falschen Zeit isst und seinen Tagesablauf nachteilig gestaltet, sammelt Ama an.
Im Falle der Knorpeldegeneration sind es Harnsäurekristalle, die sich im Gelenkspalt ablagern, die Oberfläche des Knorpels angreifen und diesen schneller verschleißen lassen. Darüber hinaus trägt geistiges Ama, das durch Zorn, Ärger und unverarbeitete Erlebnisse entsteht, zur Entwicklung von Krankheiten bei.
Prädestiniert für Arthrose sind nach ayurvedischen Ansichten Menschen, die viel Ama angelagert haben und seit Jahren mit erhöhtem Vata leben. Kommen Haltungsfehler, Übergewicht und eine genetische Veranlagung hinzu, steigt das Risiko für Gelenkverschleiß noch weiter an.
Solange es sich um einen leichten oder mittleren Fall von arthrosebedingten Gelenkbeschwerden handelt, sind die Chancen auf eine Genesung mit Ayurveda recht gut. Je früher mit einer entsprechenden Therapie begonnen wird, desto wahrscheinlicher ist der Heilungserfolg.
Wie sieht die Ayurveda-Therapie bei Gelenkverschleiß aus?
Für eine umfassende ayurvedische Arthrose-Behandlung werden meist Elemente des klassischen Pancakarma, eines aus fünf Ausleitungsverfahren bestehenden Kurkonzeptes, als Basistherapie eingesetzt. Ansonsten bezieht das Therapie-Konzept folgende vier Behandlungsansätze ein:
- äußere Anwendungen,
- ausleitende Verfahren,
- Ernährungsumstellung und
- Nahrungsergänzung.
Äußere Anwendungen
Bei der Behandlung von Gelenkbeschwerden im Ayurveda steht das Einreiben mit Öl im Vordergrund. Öle senken aktiv das Vata und wärmen und ernähren die Gelenke. Ideal hierfür ist ein therapeutisches Vata-Öl, ein Massageöl, das mit Vata-reduzierenden Kräutern aufbereitet wurde.
Vor dem Auftragen wird das Öl im Wasserbad auf circa 35 °C erwärmt und dann mit kreisenden Bewegungen um das Gelenk herum und ausstreichend über die Extremitäten und den Körper verteilt. Nach der Massage ruht der Patient für circa 20 Minuten eingehüllt in ein großes Tuch.
Bei einer Ganzkörpermassage wird das überschüssige Öl unter der lauwarmen Dusche ohne Verwendung von Seife abgewaschen. Kleinere Öleinreibungen werden auf der Haut belassen.
Hinzu kommen Wärmebehandlungen die nach der Massage als Wärmepackung, Ganzkörperdampfbad oder lokale Dampfbehandlung durchgeführt werden. Des Weiteren können Packungen mit entzündungshemmenden und schmerzlindernden Heilkräutern Verwendung finden.
Ausleitende Verfahren
Zum Ausleiten im Körper abgelagerter Schlacken bietet der Ayurveda ausgeklügelte Prozeduren zur inneren Entgiftung und Reinigung an. Bei der Arthrose-Behandlung spielen vor allem Ölklistiere eine Rolle, die im täglichen Wechsel mit Dekokt-Einläufen eingesetzt werden.
Lassen sich Schmerzen und Schwellungen in den Gelenken durch andere Maßnahmen nicht zufriedenstellend reduzieren, kann außerdem ein Blutentzug mittels Blutegeln zur Anwendung kommen. Je nach Verträglichkeit werden hierzu ein bis zweimal pro Woche ein bis zwei Egel lokal an das Gelenk angesetzt.
Ernährung
Aus ayurvedischem Blickwinkel besitzt jeder Mensch eine ganz eigene Konstitution, die sein körperliches Erscheinungsbild, seine Verdauungskraft und seine Krankheitsneigung prägt.
Ein auf diese individuelle Körperverfassung ausgerichtetes Ernährungskonzept ist ein wichtiger Bestandteil der Arthrose-Behandlung mit Hilfe von Ayurveda. Hierbei gilt das therapeutische Prinzip, körperliche Beschwerden mit dem Gegensätzlichen zu heilen.
Das für Gelenkbeschwerden ursächliche zu hohe Vata führt zu übermäßiger Trockenheit und Kälte und einem Verlust von Körpersubstanz und Immunkraft. Zum Ausgleich werden warme, gekochte Mahlzeiten mit feuchten, leicht verdaulichen und natürlich süßen Nahrungsmitteln empfohlen.
Gut für eine ayurvedische Ernährung bei Gelenkverschleiß eignen sich beispielsweise Hafer, Reis, Beerenfrüchte, Wurzelgemüse, Butter, Cashewnüsse, Ingwer gekochter Knoblauch und Kreuzkümmel. Von einer strikt veganen Ernährung wird bei Problematiken des Bewegungsapparates ebenso abgeraten wie von einem zu hohen Fleischkonsum.
Traditionelle Ayurveda-Ärzte empfehlen häufig Hühnerbrühe und Milch aufgrund ihrer regenerativen, aufbauenden Eigenschaften. Speziell Arthrose-Patienten sollten diese Lebensmittel mit Getreide und basischen Wurzelgemüsen sowie mit vielen Kräutern und Gewürzen kombinieren.
Zu vermeiden sind hingegen Joghurt, Quark und Käse, kalte Speisen und Getränke, saure Speisen wie Zitrusfrüchte, fermentierte Milchprodukte und Essig sowie Speisen mit intensiv süßem, salzigem oder saurem Geschmack. Auch Stimulanzien wie Nikotin, Alkohol und koffeinhaltige Getränke können sich nachteilig auf die Gelenke auswirken.
Wirksamkeit von Ayurveda bei Kniearthrose
Im Mai 2018 veröffentlichte das Forschungsteam der Abteilung für Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus in Berlin eine Studie über die Wirksamkeit von Ayurveda bei Kniegelenksarthrose. Die Ergebnisse sind überzeugend:
Im direkten Vergleich zur schulmedizinischen Behandlung senkte die ganzheitliche Therapie aus Indien die Arthrosebeschwerden doppelt so gut. Die schmerzlindernde Wirkung hielt auch ein Jahr nach Behandlungsabschluss weiter an.
Patienten, die im Rahmen der Studie mit Ayurveda behandelt wurden, profitierten selbst nach dem zwölfwöchigen Therapiezeitraum und auch noch während der Nachbeobachtung nach zwölf Monaten von der deutlichen Verbesserung ihrer Arthrose-Symptome.
Zwar erzielte die auf konventionelle Weise therapierte Vergleichsgruppe ebenfalls eine signifikante Verbesserung, allerdings war der Therapieeffekt wesentlich weniger ausgeprägt und nachhaltig.
Ablauf der Studie
Die auf schulmedizinischen Ansätzen basierende Behandlung der Kontrollgruppe setzte sich gemäß aktueller Richtlinien aus auf die Patienten individuell abgestimmten Kräftigungsübungen, Ergo- und Physiotherapien einschließlich manueller Behandlungen, Ernährungsempfehlungen zur Gewichtsreduktion sowie einer Anleitung zu eigenständigen Übungen zusammen.
Die ebenfalls individuell auf die Patienten abgestimmte Ayurveda-Therapie beinhaltete manuelle Behandlungen durch speziell geschulte Therapeuten, kniespezifische Yogaübungen, Selbstmassagen, allgemeine ayurvedische Ernährungs- und Lebensstilempfehlungen sowie die Einnahme zweier pflanzlicher Nahrungsergänzungsmittel.
Innerhalb von zwölf Wochen erhielten die Studienteilnehmer fünfzehn Behandlungen. Die konventionelle Therapie dauerte jeweils 45 bis 60 Minuten, eine Ayurvedasitzung 60 bis 90 Minuten. Den Teilnehmern beider Gruppen war in Absprache mit einem Studienarzt und unter Einhaltung einer Höchstmenge der Einsatz einer Notfallmedikation mit verschiedenen äußerlichen und oralen Schmerzmitteln gestattet. Deren Einnahme musste in einem Tagebuch verzeichnet werden.
Vor Beginn der Studie, nach sechs und zwölf Wochen, nach einem halben Jahr sowie nach zwölf Monaten wurden verschiedene krankheitsbezogene Parameter erhoben. Das Hauptziel der Studie bestand in der Ermittlung der Veränderungen der Arthrosebeschwerden nach zwölfwöchiger Behandlung, gemessen nach dem sogenannten WOMAC-Index, einem Fragebogen zur Beurteilung der Symptome der Kniegelenksarthrose.
Als sekundäre Zielparameter dienten die Einzelparameter des WOMAC-Indexes zu Steifigkeit, Schmerz und physischer Funktion. Weitere Fragebögen ermittelten Daten zur Lebensqualität, zur Stimmung und zur Patientenzufriedenheit.
Studienergebnisse
Die Studie schloss insgesamt 151 Patienten ein, von denen 77 mit Ayurveda und 74 konventionell behandelt wurden. Die Zuteilung zu den beiden Therapieansätzen erfolgte nach dem Zufallsprinzip (Randomisierung).
Bei beiden Gruppen führte das zwölfwöchige Behandlungsprogramm zu einer Verbesserung der Arthrosebeschwerden. Bei der Ayurveda-Gruppe wurde jedoch eine deutlichere Linderung erzielt als bei der Kontrollgruppe. Im Vergleich zum WOMAC-Ausgangswert lag der Index bei den mit Ayurveda behandelten Teilnehmern durchschnittlich 61 Punkte niedriger.
Bei den schulmedizinisch Therapierten waren es nur 32 Punkte. Obwohl die WOMAC-Werte beider Gruppen zu den Nachbeobachtungszeitpunkten nach sechs bzw. zwölf Monaten insgesamt wieder etwas anstiegen, blieb der Unterschied von fast 30 Punkten nahezu unverändert bestehen.
Auch im Hinblick auf die meisten sekundären Zielparameter erwies sich die Ayurveda-Behandlung überlegen. Zu unterstreichen ist, dass während der zwölf Therapiewochen nur 18,9 Prozent der mit Ayurveda behandelten Patienten auf die Notfallmedikation zurückgriffen.
Bei der Kontrollgruppe waren es mit 81,1 Prozent rund viermal so viele. Unerwünschte Ereignisse waren in der Ayurveda-Gruppe häufiger zu verzeichnen als in der Kontrollgruppe (59,7 Prozent gegenüber 36,5 Prozent). Davon hatten die behandlungsbezogenen Ereignisse aber keine wesentliche klinische Relevanz.
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