Ist eine Gelenkspülung nach der Arthroskopie sinnvoll?
Mithilfe der Arthroskopie blickt der Arzt direkt in die großen Körpergelenke hinein.
Besonders häufig wird das Knie arthroskopiert.
Jedoch sind grundsätzlich auch Eingriffe am Ellenbogengelenk, im Schulterbereich sowie im Hüftgelenk möglich.
Insbesondere rheumatische Erkrankungen wie Arthritis oder Arthrose sind Anwendungsgebiete für die gelenkerhaltende Arthroskopie, die mit Gelenkspülungen einhergeht.
Die Arthroskopie als minimalinvasive Operation
Für die Arthroskopie führt der Operateur einen bzw. zwei ca. 5 Millimeter breite Einschnitte am Gelenk aus. Über diese Mikroschnitte kann anschließend eine Sonde eingeführt werden.
Die Kamera am Sondenkopf überträgt ein Bild aus dem Gelenk auf einen Bildschirm. So kann der Arzt direkt ins Innere des Gelenkes blicken und hier über weitere chirurgische Instrumente den Knorpel abschleifen oder eine Spülung des Gelenkes vornehmen.
Die Gelenkspülung als Maßnahme des Gelenkerhaltes
Ist die Arthrose noch nicht so weit fortgeschritten, wird zuerst versucht, das natürliche Gelenk zu erhalten. Derzeit gibt es noch kein künstliches Gelenk, welches das natürliche Knie in Bewegung und Belastbarkeit ersetzen könnte.
Zu den konservierenden Maßnahmen gehören z. B. Gelenkspülungen. Hierbei werden Knorpelstücke und andere Verunreinigungen, die sich in der Synovia angesammelt haben, sehr häufig mithilfe physiologischer Kochsalzlösung entfernt. Dadurch wird der Gelenkabrieb verringert und so die weitere Zerstörung des Gelenkknorpels gebremst.
Doch genießt die Gelenkspülung auch in der Ärzteschaft nicht nur Anerkennung.
Die Gelenkspülung kritisch betrachtet
Die Arthroskopie ist allgemein betrachtet eine risikoarme Operation. Dennoch ist sie bei weitem nicht risikofrei.
Risiken der Arthroskopie und Gelenkspülung
Neben Verletzungen von Bändern und Gelenkknorpel besteht auch ein Risiko zur Infektion des betroffenen Gelenkes infolge einer unzureichenden Desinfektion des Operationsbestecks oder der Haut des Patienten vor der Operation. In jedem Fall ist es wichtig, die Infektion sehr schnell zu erkennen, um weiteren Schäden sowie Bewegungseinschränkungen effektiv vorbeugen zu können.
Eine weitere Komplikation nach einem arthroskopischen Eingriff können Luftembolien oder thrombotische Erscheinungen im Gelenk sein. Bei Operationen im Schulterbereich kann gleichfalls eine seltene Form der Atmungseinschränkung in der Lunge auftreten.
Nutzen der Gelenkspülung fraglich
Zusätzlich wird der Nutzen des Eingriffs mittlerweile infrage gestellt. Was sich eigentlich so logisch anhört (Gelenk reinigen und Unebenheiten der Knorpeloberflächen beseitigen, um so die Gängigkeit und Gelenkfunktion zu verbessern), wird von immer mehr Orthopäden hinterfragt. So schreibt Dr. Volker Schmiedel treffend auf seiner Internetseite:
„Werden bei der Gelenkspiegelung Rauigkeiten oder Abfaserungen der Knorpeloberfläche entdeckt, kann der Arzt mit diesen mit Débridement und/oder Lavage (Abfräsen und Waschen) begegnen. Das macht ja auch offensichtlich Sinn. Eine geglättete Gelenkoberfläche und ein von Fremdkörpern ausgewaschenes Gelenk muss doch einfach weniger Schmerzen verursachen. Dies lag so sehr auf der Hand, dass sich niemand die Mühe machte, das zu untersuchen, was inzwischen von jedem Kamillentee erwartet wird – dass die behaupteten Wirkungen auch bewiesen werden.„
Untersuchung zeigt: Gelenkspülung nicht wirksamer als Placebo!
2002 wurde in einer hochwertigen Arbeit von Moseley et al. diese Behandlungsmethode der Gelenkspülung und Abrasion in Folge einer Arthroskopie überprüft. 180 Patienten wurden entweder mittels einer Arthroskopie behandelt, das Gelenk gespült und mögliche Unebenheiten geglättet. Zur Kontrolle wurde anderen Patienten zwar ein kleiner Ritz in das Knie gemacht und ohnen wurden Aufnahmen gezeigt, wie vermeintlich das Kniegelenk gespült wurde. Tatsächlich wurde aber nicht in das Gelenk eingegriffen.
Das Ergebnis fassen die Wissenschaftler zusammen:
Zu keinem Zeitpunkt konnte eine Gelenkspülung zu besseren Ergebnissen in Schmerzen oder Funktionalität als die Placebo-Vergleichsgruppe führen.
(„At no point did either of the intervention groups report less pain or better function than the placebo group.“) Sie weisen zudem darauf hin, dass die Ergebnisse der Untersuchung mit so vielen Patienten durchgeführt worden sind und so eindeutig sind, dass sie die Ergebnisse als statistisch abgesichert ansehen.
Auch andere Untersuchungen zur Gelenkspülung kritisch
Auch andere Verfasser von Studien sind kritisch. Eine Kniearthroskopie beispielsweise kann nur in den seltensten Fällen die Entwicklung einer Arthrose verhindern. Die kurzzeitige Schmerzlinderung durch die Spülung des Gelenkes erzeugt eine falsche Sicherheit beim Patienten. Er belastet die Gelenke zu stark, sodass die Schädigung des Gelenkknorpels weiter zunehmen könnte und wertvolle Behandlungszeit bis zur Wiedervorstellung beim behandelnden Arzt vergeht.
Mögliche unerwünschte Effekte der salzbasierte Lösung zur Spülung des Gelenkes
Auch die verwendete salzbasierte Lösung scheint selbst Veränderungen am Gelenkknorpel hervorzurufen. Die Standardlösung zur Spülung von Gelenkknorpel ist eine Kochsalzlösung, die in einigen Versuchsmodellen zu einer Hemmung des Knorpelzellstoffwechsels führte. Durch diese zusätzliche Beeinträchtigung der bereits geschädigten Zellen könnten weitere Knorpelschäden in einem arthritischen Gelenk entstehen.
Bereits zuvor zeigten Wissenschaftler, dass die Verwendung von kälteren Salzlösungen zu Schäden der Chondrozyten führten und deren Stoffwechsel empfindlich störten. „Daher sollten stets körperwarme Lösungen für die Gelenkspülung eingesetzt werden“, so die Forscher in ihrer Arbeit.
Gelenkspülung sicher sinnvoll bei septischer Arthritis
Unbestritten hat die Gelenkspülung hingegen bei einer septischen Arthritis (also bei einem Entzündungsbild, bei dem das Gelenk zusätzlich bakteriologisch befallen ist) eine besondere Bedeutung. Diese kann unbehandelt schwere Komplikationen hervorrufen oder sogar den Tod des Patienten zur Folge haben. Septische Arthritis führt in etwa 11% der Fälle zum Tod infolge einer systemischen Infektion mit Staphylococcus aureus. Infolge der Gelenkspülung wird der Entzündungsherd eliminiert und die Sepsis so verhindert.
Das Verfahren wird bisher noch nicht sehr oft angewendet und die Beschreibung der optimalen Gelenkspülmethode ist nach wie vor ein Gegenstand intensiver Forschungen. Mit den bisherigen Verfahren ist eine unzureichende Spülung in einigen Bereichen des arthroskopierten Gelenks jedoch nicht auszuschließen.
Gelenknahrungen bei Arthritis
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